Ausstellungseröffnung

Schriftmuseum „Bartlhaus“ Pettenbach
Samstag 27. Juni 2020
14 Uhr

Laudatio Angelika Doppelbauer

Craquelé – Kalligrafiegruppe Lettera mit Benno Aumann und

Arbeiten von Gertrud Ziegelmeir

 

Das Schriftmuseum Bartlhaus in Pettenbach zeigt in seiner ersten Ausstellung 2020 von 27. Juni bis 20. September Arbeiten unterschiedlicher Kalligrafinnen und Kalligrafen aus Deutschland.

Gertrud Ziegelmeir beschäftigt sich in ihrem jüngsten Werkblock mit der Corona-Krise und ihren Auswirkungen auf jeden einzelnen Menschen und die Gesellschaft im Allgemeinen. Die Krise hat unser aller Blick auf das Leben verändert und den Wert zwischenmenschlicher Kontakte und gelebter Gemeinschaft durch die Isolierung wieder verstärkt ins Bewusstsein gehoben. Ziegelmeir fasst die Stimmung des Lockdowns in das Gegensatzpaar apart und together, getrennt und gemeinsam und experimentiert mit diesen Worten auf vielfältige Weise. Das Wort apart mit Abstand geschrieben erhält plötzlich einen völlig anderen Sinn: to be a part bedeutet ein Teil von etwas zu sein. Das Verbot sich zu treffen verursachte eine Trennung, die uns den Wert der Verbindung zu anderen oft noch viel deutlicher vor Augen führte. Gemeinschaft und Kontakt zueinander haben durch ihre Unmöglichkeit eine völlig neue Bedeutung in unserem Leben erlangt.

Das Getrennt-Sein spielt auch in Form des Durchtrennens von Papier eine wichtige Rolle in Ziegelmeirs Arbeiten. So schneidet sie Buchstaben und Texte aus und gestaltet durchbrochene Schriftbahnen, die an textile Strukturen erinnern. Diese Papierschnitte reichen von kleinen Miniaturen bis zu wandfüllenden Schriftbahnen.

Ziegelmeir arbeitet klassisch analog mit Pinsel, Stift und Schneidemesser aber auch digital mit Computer, Tablet und Plotter, einem speziellen Drucker, der auch schneiden kann. Manchmal kombiniert sie auch beide Arbeitsweisen oder benützt digitale Skizzen als Grundlage für analoge Kalligrafien.

Neben den Werken aus der Corona-Zeit zeigt Ziegelmeir noch Arbeiten aus ihrem aktuellen Jahreskalender 2020 und aus der Werkserie Passion, die sich mit der Leidenschaft der Künstlerin zu ihrer Kunstform beschäftigt.

In der Galerie stellt die Gruppe lettera gemeinsam mit Benno Aumann unter dem Titel Craquelé 61 Schriftbilder zu Gedichten von Rudy Vandercruysse aus. Die Gedichte sind eine Hommage an den Literaten und Publizisten Roger Willemsen, der 2016 im 61. Lebensjahr verstarb. Jedes Gedicht steht für eines seiner Lebensjahre, das letzte Gedicht ist unvollständig als Symbol für das nicht vollendete 61. Jahr. Die Inhalte der Gedichte orientieren sich an zwei Büchern von Willemsen Momentum und Der Knacks. Der Dichter Vanderdruysse verdichtete die Kurzgeschichten zu dreizeiligen Haikus, einer japanischen Gedichtform mit strenger Versfolge.

Die Ausstellung trägt so wie die Gedichtsammlung den Titel Craquelé. Dieses französische Wort heißt wörtlich übersetzt rissig, gesprungen und bezeichnet Risse und Sprünge, die als Alterungsprozess zum Beispiel bei Gemälden oder lackierten Oberflächen auftauchen. Das Craquelé gibt wie die Falten im Gesicht eines Menschen Auskunft über sein Leben.

Diese Gedichte dienten als Grundlage für ihre schriftkünstlerische Umsetzung. Die Beteiligten einigten sich auf die Form des Quadrates in der Größe 30×30 cm für das Papier und eine Reduktion der Farbigkeit auf schwarz, weiß und grau. Diese Einheitlichkeit der formalen Mittel bildet die Klammer zwischen den Arbeiten, in denen die Individualität des künstlerischen Zugangs und des persönlichen Duktus der Linie noch deutlicher zum Ausdruck kommt.

Antje Glashagen-Stuck schreibt bildliche Darstellungen, in denen Buchstaben Libellenflügel und Blütenblätter formen. Anja Lüdtke schafft ausdrucksstarke Schriftzeichen mit starken Akzenten. Birgit Nass hebt manche Textteile durch Größenunterschiede hervor. Eveline Petersen-Gröger gestaltet beinahe gegenständliche Schriftbilder, durch die Buchstaben wandern. Ursula Schröder-Höch arbeitet gestisch expressiv und lässt Leerstellen, wo von Leere die Rede ist. Jasna Wittmann ergänzt ihre Schriftzeichen mit gemalten Formen und Schattierungen, Frank Fath passt die Form seiner Arbeiten dem Inhalt an und wandelt sich von linearer Strenge zu poetischem Duftnebel. Benno Aumann erzeugt starke Spannungen durch energiegeladene gestische Strichführung.

Angelika Doppelbauer

 

Kontakt:

Schriftmuseum Bartlhaus
Museumstraße 16,
4643 Pettenbach
kontakt@bartlhaus.at
www.schriftmuseum.at,
Öffnungszeiten: Mai – Oktober
Sa: 14-17 Uhr
So/Fei: 10-12 Uhr
und nach telefonischer Voranmeldung: Herr Ing. Kahr 0664 92 54 794

 

 

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