Gemeinsamkeiten – Wie wollen wir zusammen leben?

Ausstellung im Schriftmuseum Bartlhaus
Eröffnung Samstag 23. April 2022, 14 Uhr

Gemeinsamkeiten – Wie wollen wir zusammen leben?

Krisenzeiten wirken oft wie ein Brennglas und lassen gesellschaftliche Phänomene in größter Deutlichkeit hervortreten. Die letzten Jahre der Pandemie und der aktuelle Krieg in der Ukraine zeigen uns diesen Umstand schmerzlich. Wie sind größtmögliche persönliche Freiheit mit einem hohen Maß an Sicherheit und Stabilität vereinbar? Wie gehen wir Menschen miteinander um? Diese Fragen stehen am Anfang aller Kulturen und es ist ein Gebot der Stunde,  für die gemeinsamen Werte von Menschlichkeit, Toleranz, gleiche Würde für alle, Freiheit des Individuums, Solidarität mit den Schwachen und politischen Pluralismus einzutreten.

Menschen sind soziale Wesen und verfügen über ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Teilhabe zu einer Gruppe. Dies kann zur Abgrenzung von anderen führen und politisch missbraucht werden. Ein Staat ist ein Machtgefüge, das ein geordnetes Zusammenleben innerhalb seiner Grenzen regelt. Um Missbrauch zu verhindern regelt die österreichische Verfassung Ziele, Aufgaben und Organisation des Staates. Sie begrenzt die staatliche Macht, um die individuelle Freiheit der Einzelnen zu wahren. Die Menschenrechte als Teil der Verfassung formulieren gemeinsame Werte, basierend auf den Grundpfeilern von Freiheit, Gleichheit und Teilhabe. Sie können als moralischer Kern der demokratischen Verfassung bezeichnet werden.

Die Ausstellung widmet sich dem menschlichen Zusammenleben und sucht Gemeinsamkeiten auch innerhalb des Schriftmuseums zwischen Druck und Kalligrafie. Der Grafikdesigner Andreas Volleritsch, wählte elf Passagen aus der österreichischen Verfassung und gestaltete diese unter dem Titel 11&11 / Verfassungs_Texte. Er realisierte die Serie in Zusammenarbeit mit dem Schriftsetzer Gerhard Hennerbichler und dem Drucker Hubert Rittberger vom Team der Druckwerkstatt im Bartlhaus. Seine Idee war, den über 100 Jahre alten Ursprungstext in Frakturschrift den heutigen Formulierungen gegenüberzustellen und so die Zeitspanne sowohl optisch als auch sprachlich erlebbar zu machen. Die besondere typografische Inszenierung und Auswahl der Texte sollten das Verständnis für Demokratie und die Grundfunktionen des Staates fördern. Die Reihe wurde im Bleisatz auf einer Zylinder-Druckpresse von 1920 auf ca. 70 Jahre altes Büttenpapier gedruckt. Mit der Künstlerin Lina Schwarz aus Bad Homburg in Deutschland überarbeitete Volleritsch in einem weiteren Arbeitsschritt einen Teil der fertigen Drucke mit Neon-Nachtleuchtfarben in Kontakt-Lithographie-Technik.

Als Ergänzung zeigt Linda Schwarz mit Texten überschriebene historische Landkarten. In dieser Werkserie setzt sie sich auf vielschichtige Weise mit dem Begriff Heimat auseinander und erweitert das Ausstellungsthema um die geographische Dimension, die einen Staat als dauerhafte Verbindung eines Volkes auf einem bestimmten Gebiet definiert.

Kombiniert wird die Präsentation mit Arbeiten von zehn Kalligrafinnen aus dem deutschsprachigen Raum, die sich mit den Menschenrechten, sowie dem Konzept der Menschenpflichten beschäftigen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde nach dem Ende des zweiten Weltkriegs als Folge der dort begangenen Unmenschlichkeiten, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Sie sichert Menschen einen Freiraum zu, in den der Staat nicht eingreifen darf, formulieren aber auch die Pflicht des Staates, seine Bürger*innen zu schützen. Die allgemeine Erklärung der Menschenpflichten ist ein Papier, das 1997 von ehemaligen Regierungschefs verfasst wurde und das friedliche Zusammenleben von Menschen untereinander regelt. Das nie offiziell verabschiedete Papier erweitert die Menschenrechte um den sozialen Aspekt der Menschlichkeit. Jede Kalligrafin suchte für sich markante Passagen aus den Texten. Die Schriftbilder zeigen jeweils persönliche und teilweise auch höchst aktuelle Auseinandersetzungen mit dem Themenkomplex und führten zu vielfältigen stilistischen Umsetzungen der textlichen Grundlage.

Beteiligte Kalligrafinnen: Sigrid Artmann, Claudia Dzengel, Susanne Wilhelmine Ertl, Andrea Felber, Petra Gartner, Birgit Nass, Eveline Petersen-Gröger, Eva Pöll, Gisela zur Strassen, Gertrud Ziegelmeir

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